SDW – Interview mit Gerhard Neandrup, Geschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald NRW e.V.

„Herr Naendrup, welche fünf Fakten sollten wir unbedingt über die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in NRW kennen?“

  • Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in NRW ist Deutschlands älteste Bürgerinitiative im Umweltschutz und wurde 1947 in Bad Honnef gegründet. Konrad Adenauer gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Er war dem Wald sehr verbunden und hatte als Kölner Oberbürgermeister in den 1920er Jahren den Grüngürtel in Köln mit Wäldern, Wiesen und Feldern angelegt.
  • Die SDW NRW hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die Hauptaufgabe, die sogenannten Reparationshiebe zu stoppen und die großen Kahlschlagsflächen wieder zu bewalden. Für den katastrophalen Zustand des Waldes in NRW waren folgende Faktoren maßgebend:
    • Für die Nationalsozialisten hatte der Wald in erster Linie der Volkswirtschaft zu dienen und die Nachhaltigkeit wurde vielfach ignoriert. Während des Krieges hat der Wald zudem durch Kampfhandlungen stark gelitten. Beispielhaft hierfür steht die bekannte Schlacht im Hürtgenwald von Oktober 1944 bis Februar 1945.
  • Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Alliierten große Waldflächen kahlgeschlagen, um so Deutschland die auferlegten Reparationszahlungen auch in Form von Holz begleichen zu lassen. Mit den Kahlschlägen einhergehend gab es große Sorge um den Fortbestand des Waldes und auch die mögliche Gefährdung der Trinkwasserversorgung v.a. des Ruhrgebiets.
  • Der Schwerpunkt der Arbeit der SDW in NRW ist schon seit den 1950er Jahren die Umweltbildung von Kindern und Jugendlichen zum Thema Wald. In Ringelstein hat die SDW vor über 60 Jahre das erste Jugendwaldheim gegründet. Innerhalb der SDW gibt es eine große Jugendbewegung; schon seit 1958 hat die SDW mit der Deutschen Waldjugend eine eigene Jugendorganisation. Zielsetzung ist das gemeinschaftliche Erleben, verbunden mit Naturschutzarbeit im Wald. Es finden Ferienfreizeiten im In- und Ausland statt, die das gemeinsame Naturerleben und Wandern in den Mittelpunkt stellen. Es ist beeindruckend zu erleben, wenn bis zu 500 Jugendliche beispielsweise zu Pfingsten ein gemeinschaftliches Zeltlager aufschlagen.
  • Wahrscheinlich einmalig in Deutschland war der Auftrag zur Haldenbegrünung. Bis Ende der 1950er Jahre war die SDW in NRW mit dieser Aufgabe vom Land offiziell betraut. Die Steinkohleförderung im Ruhrgebiet hat über viele Jahrzehnte das Bild vom Ruhrgebiet geprägt. Inzwischen ist die Region sogar sehr begrünt. Dazu tragen auch die Halden bei, die Abraum aus dem Bergbaubetrieb sind. Landschaftsgerecht umgestaltet, begrünt und teils bewaldet sind sie heute beliebte Ausflugsziele der Region.
  • Die SDW NRW ist als anerkannter Naturschutzverband den Umweltschutzverbänden wie dem NABU und dem BUND gleichgestellt. In Rahmen dieser Funktion werden Stellungnahmen abgegeben, wenn es um den Erhalt von Waldflächen geht. Dem Wald eine Stimme zu geben ist wichtig. Wenn es unvermeidlich ist, dass Waldflächen z.B. Baumaßnahmen zum Opfer fallen müssen, dann wird eine Wiederaufforstung an anderer Stelle eingefordert – idealerweise mit einem Faktor von 1:3; d.h. für einen Hektar vernichteten Wald müssen 3 Hektar neu aufgeforstet werden.

 

„Was unterscheidet den Wald in Nordrhein-Westfalen vom Wald im restlichen Deutschland“

Insgesamt sind 27% der Fläche von NRW bewaldet und liegt damit etwas unter dem Bundesdurchschnitt von rund 1/3 Wald.

Eine wesentliche Unterscheidung zu den anderen Bundesländern ist die ungleiche Waldverteilung. In den Ballungsgebieten von NRW haben wir nur ein Bewaldungsprozent von 10-12%, während es im waldreichen Siegerland über 60% sind.

Besonders die geringe Waldfläche in den Ballungsräumen ist problematisch, da diese sich durch den Klimawandel immer weiter aufheizen. Hier wird daher auch die innerstädtische Begrünung immer wichtiger, beispielsweise durch Straßenbäume oder Fassadenbegrünung.

Weiter ist in NRW sicherlich die Verteilung der Besitzverhältnisse besonders: Zwei Drittel der Waldflächen sind in Privatbesitz, 24% ist Kommunalwald, die restliche Fläche gehören Wald und Holz NRW. Auf Grund des geringen Anteils an Waldgebieten in öffentlicher Hand sind die Möglichkeiten zur direkten Einflussnahme auf die Gestaltung und Nutzung gering. Hier kommt der Öffentlichkeitsarbeit ein hoher Stellenwert zu, um das Bewusstsein für das Thema Wald zu stärken.

Auch NRW ist von den Auswirkungen des Klimawandels und den letzten trockenen Jahren besonders betroffen. Bei der Ausarbeitung des Wiederbewaldungskonzept des Landes für die vom Borkenkäfer vernichteten Fichtenbestände saß die SDW mit am Tisch. Unter anderem wird diskutiert, welche Aufforstungsmaßnahmen gefördert werden sollen. Mischwälder aus idealerweise 4-5 Baumarten, die mit den klimatischen Entwicklungen voraussichtlich gut zurechtkommen stehen dabei im Fokus. Auch sollen eine standortgerechte Aufforstung und die nachhaltige Nutzung des Waldes als Wirtschaftswald erfolgen. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der möglichst langlebig CO2 binden soll. Das bedeutet auch, dass Produkte aus Holz möglichst langfristig im Gebrauch sein sollten.

„Wie sieht Ihre Arbeit für die SDW ganz konkret aus?“

Bei Plan- und Gesetzesvorhaben, die den Naturschutz betreffen ist unsere Organisation immer mit eingebunden. Dazu formulieren wir mit Fokus auf den Wald regelmäßig Stellungnahmen.

Dann bin ich viel im Verband aktiv und unterwegs. Wir haben 39 Kreisgruppen, mit denen ich eng zusammenarbeite. Alle 2 Jahre findet eine Delegiertenversammlung statt. Die Organisation und Durchführung liegen in meiner Hand. Dann bin ich auch im Vorstand der Waldjugend und sitze in verschiedenen anderen Gremien, um die SDW als Institution zu vertreten. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit organisiere ich Veranstaltungen, erstelle ich Pressemitteilungen und begleite Wiederbewaldungsprojekte.

95% meiner Tätigkeit findet am Schreibtisch, in Sitzungen oder in Onlinekonferenzen statt. Ich arbeite also mehr für den Wald und nicht im Wald. Als ausgebildeter Förster fällt mir das nicht immer leicht, da ich lieber unmittelbar in der Natur arbeiten würde.

„Wer unterstützt Sie bei Ihrer Arbeit vor Ort?“

Unsere Kreisgruppen setzen in ihrer Arbeit vor Ort jeweils ganz unterschiedliche Schwerpunkte.

Auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte hat die SDW auch einen festen Sitz im Naturschutzbeirat. Hier nehmen die Kreisgruppen die Aufgaben „als Anwalt des Waldes“ wahr.

Einige Kreisgruppen sind auch Träger größerer Einrichtungen und betreiben beispielsweise Waldschulen, Wildgehegen oder Greifvogelschutz-Stationen.

Gemeinsam mit den Forstämtern richten wir vor Ort Waldjugendspiele aus. Das ist ein wichtiger Baustein für die Umweltbildung, in der nicht nur spielerisch Wissen vermittelt wird, sondern v.a Interesse am Ökosystem Wald geweckt werden soll. Die Naturentfremdung ist inzwischen sehr stark ausgeprägt. Das Angebot richtet sich an Grundschulklassen, die einen im Wald aufgebauten Parcours absolvieren . Jährlich nehmen bis zu 35.000 Schüler*innen an den Waldjugendspielen teil.

Als besonders herausragendes Beispiel eines außerschulischen Lernorts für die waldbezogene Umweltbildung möchte ich das Waldpädagogische Zentrum (WPZ) in Bottrop erwähnen. Alle Grundschulen der Stadt Bottrop besuchen regelmäßig das WPZ. Jeder Erstklässler pflanzt dort einen Baum und die Schule besucht regelmäßig „ihre“ Baumschule auf dem Gelände. Im Abschlussjahr der Grundschule werden die Baumsetzlinge in den Jahrgangswald in der Kirchheller Heide ausgepflanzt.

„Welches ist die dringlichste Aufgabe für dieses Jahr?“

Wiederbewaldung, Wiederbewaldung, Wiederbewaldung! Der Klimawandel und die Vernichtung großer Waldflächen durch den Borkenkäfer machen die Schaffung klimastabiler Mischwälder zu DER wichtigsten Zukunftsaufgabe.

Um die Jugend weiterhin für den Wald zu begeistern ist es unser Ziel, in diesem Jahr wieder Waldjugendspiele durchzuführen. Das war coronabedingt im letzten Jahr leider nicht möglich. Wir hoffen auf einen Neustart in diesem Herbst!

„Mit welchen Aktionen und Aktivitäten gehen Sie das an?

Der katastrophale Zustand des Waldes ist in den Medien sehr präsent. Das führt erfreulicherweise dazu, dass sich viele Firmen engagieren wollen. Wir erhalten Anfragen von Firmen, die auch im größeren Umfang Bäume pflanzen möchten. Im vergangenen Jahr konnten wir so 100.000 Baumsetzlinge pflanzen – in diesem Jahr wird sich die Zahl noch erhöhen .

„Die Gemeinschaft der Anbieter für Waldbaden hat im vergangenen Jahr die Aktion „Deutschland geht Waldbaden“ veranstaltet und die Einnahmen an die SDW -Landesverbände gespendet. Wofür werden die Spendengelder in NRW eingesetzt?“

Auch hier für Baumpflanzungen. Die Spenden sind in aller Regel zweckgebunden und sollen für die Erhaltung des Waldes eingesetzt werden. Das Geld aus der Spendenaktion kommt in einen Topf, aus dem Pflanzaktionen finanziert werden. Sollten die Spenden nicht zweckgebunden sein, dann können daraus auch waldpädagogischen Aufgaben finanziell unterstützt werden.

Für die Pflanzung eines Baumes werden 5 € veranschlagt. So kann man sich ausrechnen, wie viele Bäume mit der eigenen Spende gepflanzt werden. Darin enthalten sind nicht nur die Kosten für den Baumsetzling selbst, sondern auch die Vorbereitung der Pflanzfläche, die Kosten für die eigentliche Pflanzung und gegebenenfalls auch Wildschutzmaßnahmen.

Unsere Pflanzungen finden überwiegend in Kommunalwäldern statt, da die eventuell später erzielten Gewinne auch wieder der Allgemeinheit zugutekommen. Bei Pflanzungen in Privatwäldern werden in der Regel kleine Waldbauern unterstützt.

„Bisher haben wir über den Wald und die SDW gesprochen. Gerne möchte ich aber auch Sie, Herr Naendrup, unseren Lesern noch etwas besser vorstellen und frage daher ganz im Stile wie zu Beginn: Welche fünf Fakten sollten wir über Sie kennen?“

Ich habe Forstwissenschaft in Freiburg und Zürich studiert. Mein Referendariat hat mich aber schon in die Wälder NRW gebracht. Ich bin gebürtig aus NRW und dem Ruhrgebiet. Mit der Region fühle mich sehr verbunden. Ich bin bereits seit 30 Jahren für die SDW tätig und kann auf ein großes unterstützendes Netzwerk zugreifen. Das ist für meine Arbeit sehr hilfreich.